Die Aussaat von Freilandorchideen

- Teil 4 - Steriles Arbeiten -



Das sterile Arbeiten ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Aussaaten und die weitere Kultivierung auf sterilen Nährböden. Die zuckerhaltigen Nährböden sind ja eine ideale Ernährungsgrundlage für alle Keime, vor allem aber für Schimmelpilze. Wenn auch nur eine einzige Schimmelspore auf einem Samen ungetötet bleibt, wenn auch nur eine einzige Bakterie beim Arbeiten von der Hand in das Aussaat- oder Umlegeglas gelangt, ist es um den Erfolg geschehen.

Wenn wir uns mit einzelnen Viren oder Bakterien infizieren, dann schafft es unser Immunsystem normalerweise, dass die sich nicht vermehren können und wir nicht krank werden. Im künstlichen Nährboden existiert aber ein solches Immunsystem nicht. Man kann z.B. dem Nährboden Streptomycin zusetzen, um die Infektion mit Bakterien zu verhindern oder zu hemmen. Aber abgesehen davon, dass wir nicht mit Antibiotika arbeiten sollten, um Resistenzen zu verhindern, werden bakterielle Infektionen in den Gläsern ausgesprochen selten vorkommen. Typisch dagegen ist die Bildung von Schimmel auf der Oberfläche des Nährbodens, der dann normalerweise auch die gekeimten Protokorme hinweg rafft. Es gibt allerdings Ausnahmen, in denen ein Schimmelpilz mit schon länger gekeimten Sämlingen in Koexistenz lebt, das ist aber eine wackelige Angelegenheit, die selten gut ausgeht. Spätestens nach dem Umlegen ist es dann aus. Es geht dann nur mit ausreichend großen Sämlingen gut, die schon auspikiert werden können.

Man könnte theoretisch auch mit Fungiziden arbeiten. Ich habe das einmal versucht, dabei wurden aber bereits gekeimte Protokorme zu 100% vom Fungizid getötet.

Es hilft nichts, wir müssen lernen absolut steril zu arbeiten. Es gibt da mehrere Methoden, z.B. hat ja Thomas Ederer dazu Informationen ins Netz gestellt. Ich werde aber hier meine eigene Methode beschreiben, die ausgesprochen sicher ist, allerdings auch einen gewissen Aufwand bedeutet. Ich habe vieles ausprobiert, was in den Foren diskutiert wurde und wird, aber nach der hier vorgestellten Methode hat man Erfolg, das allein zählt für mich.

Es geht zunächst um ziemlich triviale Dinge, die man unbedingt einhalten muss. Oft wird mir gesagt, ich mache das aber anders, und diesen großen Aufwand braucht man nicht zu betreiben. Ja, natürlich, es geht vieles, auch über Wasserdampf, aber hier beschreibe ich eine Methode, die sich in vielen hundert Gläsern bewährt hat. Nur ein Beispiel: Meine ersten Aussaaten machte ich über Wasserdampf. In einem großen Kochtopf wurden ca. 5 cm Wasser zum Kochen gebracht, auf den Topf als Arbeitsunterlage ein Tortengitter gelegt und darauf dann die Arbeiten im Dampfstrom getätigt. Das ist immer eine Gratwanderung zwischen zu heiß und unsteril. Von meinen ersten 20 Reagenzgläsern verschimmelten alle, von den nächsten 20 verschimmelten 19. Und das nur bei der Aussaat! Ich stellte mir ein Umlegen von miteinander verfilzten Sämlingen nach dieser Methode vor. Als Konsequenz baute ich mir eine Sterilbank.

Das A und O des sterilen Arbeitens ist zunächst absolute Sauberkeit. Also sorgfältig die Hände mit Seife waschen und zum Abtrocknen ein frisches Handtuch verwenden. Sterile Gummihandschuhe aufziehen. Ich verwende die Latexhandschuhe von Rossmann, Größe L, von denen 50 Stück 3,99 EUR kosten. Sie müssen aber noch sterilisiert werden. Dazu ziehe ich sie mir zunächst kurz an, um sie etwas zu dehnen, dann werden jeweils 6 Stück paarweise so in ein Marmeladenglas gelegt, dass die Ränder paarweise nach oben zu liegen kommen, damit man sie an diesen Rändern mit den Fingern gut aus dem Glas holen kann. Die Gläser werden dann mit lose aufgelegtem Deckel 30 Minuten sterilisiert. Von diesen Gläsern mit Handschuhen habe ich immer so 4 – 6 vorrätig, d.h. 12 – 18 Paar. Ich ziehe nach jedem Vorgang ein neues Paar an, d.h. wenn ich z.B. bei der Aussaat zwischendurch etwas anderes anfassen muss, dann wechsele ich die Handschuhe vor dem nächsten sterilen Arbeitsgang. Das habe ich nicht immer gemacht, die Folge waren immer wieder unerwartete Infektionen. Ärgerlich, wenn es sich dabei um ein Glas mit nur wenigen kostbaren Sämlingen handelt.

Diese Handschuhe sind erstens sehr preiswert, zweitens  kann man sie viele Male erneut sterilisieren. Hier darf  einfach nicht geschludert werden.

Über die Desinfektion einer ggf. vorhandenen Sterilbank mit 0,5%iger DanKlorix-Lösung habe ich ja schon geschrieben. Man kann sie auch mit z.B. 70%igem Alkohol auswischen oder mit Mikrozid AF, aber DanKlorix ist wesentlich wirksamer als die Alkohole. Warum? Weil den Keimen durch Alkohol lediglich das Wasser entzogen wird und sie dadurch absterben, oder sie werden durch die Inhaltsstoffe vergiftet. Das gilt aber offenbar nicht für die Dauerform der Sporen. Die Desinfektion mit Alkoholen ist nicht 100% sicher, während das in DanKlorix wirksame Hypochlorit die Keime durch oxidative Schädigung direkt abtötet. Man muss sich das so vorstellen, dass den Keimen durch den Zerfall des Hypochlorits eine Art Elektroschock versetzt wird, so als wären sie vom Blitz getroffen worden. Hypochlorit überträgt auf diese Weise im Molekülbereich eine enorme Energie. Das geht ganz schnell, aber das Hypochlorit muss auch überall hinkommen können, und das dauert eben dann doch etwas.

Alles muss steril sein: Nährboden, Gläser, Spatel, Spritzen, Handschuhe, ggf. zum Nachwaschen benötigtes Wasser, die Samen müssen desinfiziert sein.

Zwar wird ja die Sterilbank auch desinfiziert, aber zur Sicherheit und als Arbeitsgrundlage lege ich mir immer ein sterilisiertes Stück Alufolie in die Bank. Diese Folienstücke von ca. 15 x 20 cm falte ich einmal zusammen und rolle sie dann über einen Bleistift zu einer Rolle. Jeweils 4 von diesen Rollen werden senkrecht in ein Marmeladenglas gesteckt und ebenfalls sterilisiert.

In die Sterilbank stelle ich auch immer ein Becherglas mit ca. 100 ml 0,5%iger DanKlorix-Lösung plus etwas Spülmittel, wie ich sie zum Auswischen benutze, außerdem ein mit dieser Lösung getränktes und leicht ausgedrücktes Papier-Küchentuch. In die Lösung stelle ich die benutzten Werkzeuge beim Wechsel von einer Aussaat-Art zur anderen, mit dem Tuch wische ich sie ab. Diese Tücher zersetzen sich nach einiger Zeit wegen der Aggressivität der Lösung und müssen dann ersetzt werden.

Ich will jetzt einmal den Arbeitsablauf beschreiben und gehe dabei von einer Sterilbank oder Sterilbox aus. Die wird zunächst mit einem mit 0,5%iger Danklorix-Lösung völlig getränkten Papier-Küchentuch ausgewischt, wobei der Lösung zur besseren Benetzung ein paar Tropfen Spülmittel zugesetzt werden. Noch einmal: Das Hepafilter darf mit dieser Lösung auf keinen Fall in Kontakt kommen, sonst ist es hin !!! Eine der Sterilbank vorgeschaltete Plexiglasscheibe muss auf der Innenseite ebenfalls mit der Lösung abgewischt werden. Man wartet dann ca. 15 Minuten und stellt erst dann das Gebläse der Sterilbank an. Dann wird wieder ca. 15 Minuten gewartet, um sicher zu sein, dass keine Keime mehr aus dem Hepafilter heraus fliegen, dann kann man mit der Bank arbeiten.

Im nächsten Schritt wird der Nährboden gekocht, und dann folgt die Aussaat.



© Text: Dr. Claus Rüdiger Bernert - @