Die Aussaat von Freilandorchideen

- Anhang: die Grünaussaat -



Aus E-Mails einiger Leser konnte ich entnehmen, dass sich in vielen Fällen das Interesse zur Aussaat auf Cypripedium richtet. Deshalb an dieser Stelle noch ein ergänzender Beitrag zur Grünaussaat, die sich gerade für diese Gattung anbietet.

Bei vielen Orchideen ist es nicht nur möglich, sondern sogar oft erfolgversprechender, bei der Samengewinnung auf die sogen. Grünaussaat zurückzugreifen und nicht zu warten, bis die Samenkapseln reif sind. Bei der Grünaussaat werden die Samen aus der noch unreifen, grünen Kapsel entnommen, bevor diese getrocknet ist, aufplatzt und den Samen freigibt.

Gerade bei der asymbiotischen Aussaat von Cypripedium ist diese Methode gegenüber einer Aussaat von reifen Samen aus einer reifen Kapsel zu bevorzugen. So soll z.B. Cyp. montanum, nach allem, was man hört und liest, selbst von Profis aus reifen Samen praktisch nicht zu vermehren sein und auch bei Cyp. calceolus ist die Ausbeute einer Aussaat reifer Samen meist eher bescheiden, wohingegen die Grünaussaat Massenkeimung hervorbringt.

Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode besteht darin, dass, solange die Samenkapsel wirklich noch geschlossen ist, d.h. auch durch keinerlei Insekten oder anderes Viechzeuch verletzt wurde, der Innenraum steril und damit frei von für die Samen gefährlichen Bakterien und Pilzsporen ist.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist, dass wirklich reifer Orchideensamen Keimhemmstoffe gebildet hat, die bei einer Aussaat erst mit Chemikalien gebrochen werden müssen, was bei den noch nicht ausgereiften Samen aus einer Grünaussaat nicht der Fall ist. Die Zerstörung der Keimhemmung und Desinfektion durch Bleichen der Samen mit NaOCl (siehe Beitrag #7) führt dazu, dass bei einer zu langen Bleichzeit die Embryonen geschädigt oder sogar abgetötet werden, bei zu kurzer Bleiche werden nicht alle den Samen anhaftenden Keime und Sporen zerstört. Diese Problematiken entfallen bei der Grünaussaat.

Der Ablauf ist, grob skiziert, der, dass die gewonnen, noch grünen und geschlossenen Samenkapseln äußerlich gereinigt, von Blüten- sowie Stängelresten vorn und hinten befreit und dann äußerlich durch ein etwa zehn- bis fünfzehnminütiges Bad in einer DanKlorix-Lösung (1 Teil DanKlorix auf 4 Teile dest. Wasser) desinfiziert werden. Anschließend werden die so behandelten Kapseln unter durchgehend sterilen Bedingungen, also in einer Sterilbank oder ersatzweise über Wasserdampf, aufgeschnitten, der Samen entnommen und in die vorbereiteten Aussaatgläser auf das Nährmedium aufgebracht.

Dies alles muss mit absolut sterilen Instrumenten geschehen, weder die Aussaatgläser, noch die verwendeten Instrumente oder die Samenkapseln dürfen während der Arbeiten mit verunreinigten Materialien/Instrumenten oder "normaler" Luft o.ä. in Berührung kommen, bis der aus der Kapsel entnommene Samen in das Aussaatglas eingebracht und dieses wieder sicher verschlossen ist.

Eine nähere Beschreibung zum Ablauf gibt es z.B. unter Lotte & Thomas Orchideen sowie durch Herrn Dr. Bernert unter orchideenkultur.net, hier allerdings nur für registrierte Mitglieder.

Die Grünaussaat macht sich zu Nutze, dass Orchideensamen vielfach schon keimfähig sind, bevor die Samenkapsel reif ist und aufplatzt. Auf der anderen Seite besteht die Schwierigkeit bei dieser Methode darin, den richtigen Zeitpunkt der Kapselernte zu erkennen und zu nutzen. Denn bei zu früh geernteten Kapseln können z.B. die Samen noch derart fest an der Hülle bzw. der Leiste „kleben“, dass sie sich nicht oder kaum lösen lassen und es besteht die Gefahr, dass keine bzw. kaum Embryonen gebildet werden oder diese sehr klein bleiben und sich nicht weiter entwickeln. Bei zu spät geernteten hat die Keimhemmung schon eingesetzt und sie sind u.U. durch eingedrungene Insekten nicht mehr steril.

Leider lässt sich kein verbindlicher Zeitpunkt angeben etwa in der Art: "Ab Bestäubung bitte 8 Wochen bis zur Ernte warten.", denn diese Zeitspanne hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere der jeweiligen Art und den klimatischen Bedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit.

Optimal sind etwa 1 1/2 bis 2 Wochen vor der Kapselreife. Erfahrene Orchideengärtner nehmen für sich in Anspruch, den richtigen Zeitpunkt ertasten zu können, die Kapsel beginnt dann etwas "weicher" zu werden, ist aber noch nicht gelb oder gar braun und trocken. – Bei den Ernten grüner Samenkapseln von Cypripedium ist es ohne entsprechende Erfahrungen am erfolgversprechensten, wenn man mehrere Samenkapseln hat, so dass man etwa Anfang Juli (je nach Art und Witterung manchmal auch schon 2 – 3 Wochen früher) die erste abschneidet  und dann im Abstand von einer Woche je eine weitere. Hat man nur wenige Kapseln zur Verfügung, beginnt man vielleicht etwas später ca. Mitte Juli und verlängert die Wartezeit bis zur Ernte der nächsten Kapsel auf zwei Wochen.

Ob man den richtigen Zeitpunkt erwischt hat, wird man nach dem Aufschneiden der Kapsel sehen. Wenn der Samen fest auf der noch grünen oder gar weißen Leiste verwachsen ist, war man vermutlich zu früh dran, ist er schon dunkel geworden und flugfähig, war es eindeutig zu spät.

Zum Abschluss noch zwei Hinweise:

  • Die grünen Samenkapseln müssen schnell verarbeitet werden, selbst bei einer Lagerung im Kühlschrank verderben sie binnen Tagen. Ein mehrtägiger Transport oder eine Ernte an dem einen Wochenende mit dem Ziel einer Weiterverarbeitung am darauffolgenden Wochenende wird nicht funktionieren.

  • Um gutes Saatgut zu erhalten, sollten auch nur gesunde, eingewachsene und kräftige Mutterpflanzen verwendet werden, keine frisch gesetzten oder aus anderen Gründen kränkelnden Sorgenkinder.